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Franz von Pocci

Der artesische Brunnen
oder
Kasperl bei den Leuwutschen

Patriotisch-musikalisches Drama
in drei Auf- und Zuzügen

 

 

Personen:

 

Stopselberger, Gastwirt zum »Roten Rößl« Nanni, dessen Tochter Hans, Lenzelbauernsohn Dr. Zwiebelmaier, Gelehrter und Professor Kasperl Larifari und Hiesl, in Stopselbergers Diensten Nachtwächter Dorfbewohner Die Patagonier: Schluwi, Häuptling der Leuwutschen Milipi, seine Tochter Halamilari, Staatsrat und Adjutant Eingeborne Leuwutschen Sklaven Ein Leuwutschenteufel

Das Drama spielt teils in einem süddeutschen Dorfe, teils in Patagonien, Provinz Leuwutschen.

 

Erster Aufzug

Wirtsstube. Morgen.

Kasperl liegt schlafend auf der Ofenbank. Nanni tritt aus einer Seitentüre ein, ordnet und schafft in der Stube, ohne Kasperl zu bemerken.

Nanni. Seit die selige Mutter gestorben ist, hab ich gar keine Ruh' mehr. Ordentliche Kellnerinnen sind rar, und die unsrige sitzt auch lieber in der Kuchl bei die Knödl, als daß sie die Schenkstuben sauber halt. Wenn mich der Vater nur mein Hansl heiraten ließ! Wir könnten d' Wirtschaft übernehmen, und der Vater könnt' sich Ruh' gönnen. Wir wollten ihn gewiß gut halten. Aber es ist ein Kreuz und ein wahr's Herzleid, daß er mir den Hansl net leiden will und ist doch so a braver Bursch. Geld hat er freilich z'wenig und der Vater möcht' halt höher naus, und ich sollt' ein' reichen Burschen nehmen. Aber wenn's Gott will, kommen wir doch zusammen und an andern als 'n Hansl nimm i nit, dabei bleibt's. (Man pocht ans Fenster.) Was gibt's? Wer ist drauß?

Hansl (schaut herein). Mach auf, ich bin's.

Nanni. Ei du bist's! – Grüß Gott! Komm nur a bißl in d' Stuben rein; der Vater liegt ja noch im Bett wegen seines Rheumatismus an der großen Zehe. (Öffnet die Mitteltüre.)

Hansl (mit einem Rechen in der Hand). Da bin i, Herzensschatz. Ich hab mir denkt, weil i grad zum Eingrasen vorbeigeh; ich muß doch a bißl 'reinschaun.

Nanni. Des war amal a gescheiter Gedanken – und du weißt ja, dem Vatern kommst nie g'legen, dem wär's am liebsten, daß wir zwei gar nit z'samkämen.

Hansl. Freilich weiß ich's; aber wir bleiben doch beinand. Gelt, Nanni! ich mein's redlich und du bist auch brav; da kann kein Mensch was entgegen haben, und unser Herrgott wird uns schon helfen, daß wir doch einmal mitanand hausen.

Nanni. O mein Hansl! Vorderhand ist wenig Aussicht da. Ja, wenn du nur a bißl mehr Geld hättst, nachher hätt' der Vater g'wiß nix entgegen, aber so spitzt er auf den reichen Hofbauernsohn mit seine 20 000 Gulden.

Hansl. Was ist's denn ums Geld, wenn man sich nit mag? Und der Fleiß, der ist doch oft mehr wert, als der Reichtum.

Nanni. Der Vater meint halt: 's Geld und der Fleiß beisammen wär' noch besser und der Hofbauer-Michel wär' auch a braver Bursch.

Hansl. Da steht's freilich schlecht mit uns; aber halt nur aus, Nanni!

Nanni. Darauf kannst's rechnen, daß ich dir treu bleib und kein' andern nimm; lieber geh ich ins Kloster zu die Salesianerinnen.

Hansl. Nein! nein! das dürft' nit g'schehn!

Kasperl (plumpst von der Ofenbank auf den Boden herab). Hopsa! jetzt bin i aufgewacht

Nanni. Bist du auch wieder da, Kasperl? Und richtig, auf der Ofenbank geschlafen! Schäm dich! bist jetzt die ganze Nacht wieder da heraußen g'legen und net in deiner Stuben?

Kasperl (gähnend und sich reckend). Es ist ganz einerlei, wo, wie und warum der Mensch liegt; wenn er überhaupt nur liegt, da bekanntlich und auch nach ärztlicher Anordnung das Liegen sowohl dem Kranken, wie auch dem Gesunden eine äußerst gesunde und vorteilhafte Bewegung oder vielmehr Lage ist. Übrigens kann es der Jungfer Nanni sehr einerlei sein, wo und wie ich liege; denn gelegen ist gelegen und Gelegenheit ist Gelegenheit, wie ich eben bemerke, weil der Hansi schon in aller Fruh' da ist.

Nanni. Halt's Maul mit dei'm G'schwätz! In der Zechstuben soll niemand schlafen; d'rum hat jeder Dienstbot' sein Kammer. Verstanden? Vermutlich hast gestern abends wieder zu viel g'habt und bist gleich auf der Ofenbank eingeschlafen.

Kasperl. Und ich sag: in der Zechstuben soll nit in aller Fruh' schon ein Dechtlmechtl aufgeführt werden, während der Herr Wirt noch in seinem Federbett liegt.

Hansl. Im Vorbeigehn kann man immer ein bißl zusprechen. Das ist auch kein' Sünd'.

Kasperl. Oh, sprechen Sie nur zu, Moßiö Hansl! Meinerseits leg ich Ihnen nichts vor die Haustür.

Nanni. Jetzt sei a mal still. Geh 'naus in die Kuchl; da steht schon dein' Milchsuppen.

Kasperl. Und immer die Milchsuppen! Als ich noch im »Flügelkleide« war, pflegte ich Kaffee zu frühstücken.

Nanni. Und im »Flegelkleide« ist grad a Milchsuppen für dich recht.

Kasperl. Dieser Witz ist nicht schlecht. Also Milchsuppen! Ich gehe. (Ab.)

Hansl. Und ich geh auch, Nanni. 's is hohe Zeit, daß ich eingras' fürs Vieh. B'hüt dich Gott!

Nanni. So geh halt. Vielleicht kommst heut abend auf a Halbi. Geh, komm!

Hansl. Wenn's möglich ist – g'wiß! Adies. (Ab.)

Nanni (allein).

Wirt (ruft zur Seitentüre herein, in der Schlafmütze). Nannl! wie viel Uhr ist's, meine Uhr ist stehnblieben.

Nanni. Sechs Uhr. Gut'n Morgen, Vater!

Wirt. Herrgott, hab ich mich verschlafen! Aber mein' Zehe hat mich auch so zwickt. (Zieht sich zurück.)

Kasperl (ruft zur Türe herein). Nannl! – Nannl! Jetzt hab ich mich am Brunnen waschen wollen, und er lauft schon wieder nit.

Nanni. Nun – das weißt ja, daß das Wasser schon drei Tag ausbleibt. Es muß am Gumper fehlen.

Kasperl (tritt ein). Das ist eine verflixte G'schicht! Jetzt müssen wir schon drei Tag lang unser Wasser beim Müller holen! Mir ist's recht; ich muß mich halt ans Bier halten.

Nanni. Das g'schieht ohnedem.

Kasperl. Man muß sich den Verhältnissen und den Umständen fügen. Von mir aus kann der Brunnen laufen oder der Brunnen kann nicht laufen. Ich kann mich halt nicht waschen.

Nanni. Deine Gurgel, scheint's, kannst aber doch waschen, und ein ungewaschenes Maul hast ohnedem immer.

Kasperl. Das ist meine Sache, Mamsell Nanni. Gewaschen ist gewaschen.

Wirt (tritt ein). Das ist aber doch eine Malefizg'schicht. Jetzt hab ich mir ein Glas Wasser pumpen wollen – und hat der Brunnen wieder kein Wasser geben. Jetzt müssen wirs Wasser schon drei Tag fürs Vieh holen, für uns holen! Warum habt's 'n Veitl den Brunnenmacher noch net g'holt? Ich hab's schon gestern früh ang'schafft.

Kasperl. Der Veitl, der Brunnenmacher, hat sich den Fuß brochen, und es muß wo anders fehlen. Seit gestern ist's Wasser beim Nachbar auch ausgeblieben. Das macht das trockene Jahr und ist eine Straf' Gottes, wie der Herr Pfarrer am vorigen Sonntag gepredigt hat, weil die Wirt' so viel Wasser ins Bier schütten – –

Wirt. Daß dich der – – kurz und gut: Wasser muß her!

Terzett.

Kasperl. Der Brunnen gibt kein Wasser mehr.

Wirt. Und ich sag: Wasser, Wasser her!

Nanni. Die Zuber stehen alle leer.

Zu Drei:

Kasperl. Kein Wasser mehr!

Wirt. Nur Wasser her!

Nanni. Die Zuber leer!

fugato:

Kasperl. Mehr, mehr, mehr!

Wirt. Her, her, her!

Nanni. Leer, leer, leer!

Zu Drei: Wir haben halt kein Wasser mehr.

(Professor Zwiebelmaier mit einer ungeheuren Schlafmütze tritt gravitätisch ein.)

Zwiebelmaier (singt).

Gerad steig ich aus meinem Bette, Und höre hier schon ein Terzette, Wie kömmt's, daß ihr in aller Frühe Schon brüllet wie im Stall die Kühe.

Wirt. Ei, guten Morgen Herr Professor?

Nanni. Sind Sie auch schon so früh auf?

Kasperl. Ich hab Ihnen die Stiefel noch nicht geputzt.

Zwiebelmaier. Einerlei! ich habe den schönen Morgen genießen wollen und meine metereologischen Beobachtungen fortsetzen, welche ich gestern begonnen habe.

Kasperl. Was sind denn das für Beobachtungen, die metreologischen G'schichten da?

Zwiebelmaier. Wißt Ihr denn nicht, daß ich seit 8 Jahren diesen ländlichen Wohnsitz bezogen, um den Druck der Atmosphäre zu berechnen und den Thermometerstand mit der Barometerhöhe differentialisch zu berechnen?

Kasperl. Donnerwetter, das ist mir zu hoch! Dem Kronometer mit dem Druck atmosphärisch, indifferentialisch – – –

Zwiebelmaier. Still! entweihe die Wissenschaft nicht. Guten Morgen, liebes Nannchen, wollten Sie mir nicht ein frisches Glas Wasser vom Brunnen holen?

Kasperl. Hat ihn schon!

Nanni. Ja, mein Gott! der Brunnen – – – der Brunnen – –.

Zwiebelmaier. Der Brunnen – was ist's mit dem Brunnen?

Wirt. Ja, denken S': die Fatalität! mein Brunnen gibt kein Wasser mehr, beim Nachbarn ist's auch ausblieben –

Kasperl. Und wie mir der Nachtwachter g'sagt hat, greift die Trockenheit um sich – bald wird das ganze Dorf kein Wasser haben. Es muß eine unterirdische Revolution ausgebrochen sein.

Zwiebelmaier. Wie? Ist es möglich? Allerdings war das ganze Jahr bisher sehr trocken und es mag sein, daß die Kapillarität der Erde etwa nicht genug Aufnahmsstoff hat, weil die gehörige Feuchtigkeit des Niederschlags gefehlt hat, oder nicht hinlänglich war.

Kasperl. Das ist sehr verständlich, zum Beispiel: Wenn einer Durst hat und geht mit dem Maßkrug an ein Faß, um sich Bier zu holen, das Faß lauft aber nicht, so ist das ein sicheres Zeichen, daß nix drin ist. Gerade so ist's jetzt: Wenn in der Erden unten kein Wasser ist, so lauft halt keines 'rauf und man muß sich ganz und gar ans Bier halten.

Wirt. Dumm's G'schwatz! A Wasser braucht man doch; und was tut man denn mit 'm Vieh? Dem wird man doch kein Bier geben?

Kasperl. O nein! Es gibt nit die wenigsten Viecher, die nur Bier trinken, z. B. der G'meindvorsteher oder Gutsverwaltet –

Wirt. Halt 's Maul! Du verstehst nix.

(Hinter der Szene: ungeheures Gebrüll der Ochsen und Kühe und Lärm aller Art.)

Hiesl (Knecht, stürzt herein). Helft's, helft's! Alles Vieh ist los vor lauter Durst! Seit gestern hat's kein Wasser mehr kriegt. Jetzt ist alles wie narrisch und hat sich von die Ketten losgemacht.

Wirt. Um Gottes willen! naus, naus! Helft's z'sammen, daß wir's wieder anhängen.

(Alle eilen hinaus bis auf Zwiebelmaier und Nanni.)

Nanni. O mein, o mein, Herr Professor? Das ist schon a Malhör, wenn's Vieh sich losmacht! Ich trau mir gar nit naus. Ich fürcht den schwarzen Stier; der ist gar so wild und stürzt einen gleich um.

Zwiebelmaier. Sie haben recht, liebe Nanni. Man soll sich unnützermaßen keiner Gefahr aussetzen, um nicht etwa unvorsichtigermaßen in ein Unglück zu geraten.

Nanni. Ich bin ohnedies schon unglücklich, ich brauch kein' bösen Stier mehr dazu.

Zwiebelmaier. Wie? Sie sind unglücklich? Ich wohne doch zu meinen naturhistorischen Forschungen schon vierzehn Tage bei Ihnen und habe nichts von Ihrem Unglück bemerkt.

Nanni. Das hätten S' doch bemerken können, daß ich und der Lenzelbauernhans uns einand gern haben?

Zwiebelmaier. Jawohl; aber das sich Gernhaben ist ja doch kein Unglück?

Nanni. Unter gewissen Umständen aber doch ein Unglück: wenn nichts draus wird.

Zwiebelmaier. »Nichts daraus wird?« – dies scheint mir so viel zu bedeuten, als ob Ihrer ehelichen Verbindung ein Hindernis entgegenstünde.

Nanni. Ja freilich, der Vater mag nicht, weil der Lenzl nicht g'nug Geld hat und weil der Vater für mich den reichen Hofbauernsohn möcht'.

Zwiebelmaier. Ei, ei, ei, das ist freilich eine böse Geschichte. (Besinnt sich.) Hm, hm, hm! – Da sollte man dem Hans Geld verschaffen können. Das wäre wohl das beste Mittel, dem Unglück abzuhelfen.

Nanni. Ja, wenn der Hans Geld hätt', da wär's dem Vater schon recht; denn gegen den Burschen hat er weiter nichts einzuwenden.

Zwiebelmaier. Holla! mir kömmt ein trefflicher Gedanke. Wenn dessen Ausführung gelänge, so wäre Ihnen geholfen. Wissen Sie was, Nannchen? Sorgen Sie, daß ich sobald als möglich Ihren Geliebten sprechen kann.

Nanni. Das ist leicht möglich; denn er mäht Klee gleich da draußen.

Zwiebelmaier. So kommen Sie; zeigen Sie mir den Ort. Ich will zum Hans gehen.

Nanni. Recht gern.

(Beide ab.)

Kasperl (tritt mit großen Schritten ein). So, jetzt wär' alles wieder in Richtigkeit. Das Vieh ist wieder angekettet und mit einigem sanften Prügeln beruhigt. Leider kann man's nicht überall so machen; denn die Menschen benehmen sich auch oft wie närrisch, und solang die Welt steht und solang's Menschen gibt, hört auch der Unsinn nicht auf. Da könnt' man was erzählen!

Lied.

 

Geht man ein wenig nur herum, So findet man gar vieles dumm; Die Tiere sind nicht bloß im Stall, Vielmehr auf Erden überall. zugleich: Hm, hm, hm, hm, hm, hm, hm, hm, Das ist halt so ein gewisser Fall! Oft meint der ein', er ist sehr g'scheit, Wenn er am Gelde sich erfreut, Er sperrt es ein für sich allein, Gibt keinem nur ein Kreuzerlein! zugleich: Hm, hm, hm, etc. Was mag ein solcher denn wohl sein? Ein anderer lebt in Saus und Braus Und wirft das Geld nur so hinaus Für nichts und wieder nichts, bis er Als armer Schlucker geht einher. zugleich: Hm, hm, hm, etc. Ich frage Sie, wer ist denn der? Ein Fräulein putzt sich früh und spät Und spreizt sich, wo sie geht und steht, Dabei kriegt sie ein altes G'sicht, Was schon die ganze Stadt bespricht. zugleich: Hm, hm, hm, etc. Das ist halt auch so eine G'schicht. Die Kindergärten sind nicht schlecht, Für g'wisse Frauen g'rade recht; »Was solln die Frazen mich genier'n, Ich geh lieber allein spazier'n.« zugleich: Hm, hm, hm, etc. Ich will nicht weiter kritisieren, zugleich: Hm, hm, hm, etc. Sonst könnt' ich mich kompromittieren.

(Macht sein Kompliment und geht pathetisch ab, während der Vorhang langsam fällt.)

Ende des ersten Aufzugs

Zweiter Aufzug

Dorf. Das Wirtshaus zum »Roten Rößl« von außen. In der Mitte der Szene die Zurichtung eines artesischen Brunnens. Aufgeworfene Erdhaufen und Schutt, Leitern, Stangen etc., ein großer Erdbohrer steht in der Mitte gerade in die Höhe etc.

Hans. Professor Zwiebelmaier.

Zwiebelmaier. Nun, mein lieber Hansl, denk' ich, soll's nach meiner mathematischen Berechnung nicht mehr lange dauern, daß wir den Erdball in solcher Tiefe durchbohrt haben, daß das Wasser nicht mehr ausbleiben kann. Noch überall hat man mit dem sogenannten artesischen Brunnen seinen Zweck erreicht.

Hansl. Ja, ich bin Ihnen recht dankbar, daß Sie mich zum Gehülfen und Famulus genommen und dem Wirt die Bedingnis gesetzt haben, daß er mir die Nanni geben muß, wenn's Wasser da ist –

Zwiebelmaier. Allerdings, so ist es, und es muß dabei bleiben.

Hansl. Aber, aber – jetzt bohren und graben wir schon 14 Tag den artesischen Brunnen und es laßt sich halt kein Wasser sehen. Das dauert endlich dem Wirt zu lang, denn Kosten hat er auch dabei, und zuletzt muß das ganze Dorf verdursten, denn es wird halt zu arg, daß man alles Wasser für Mensch und Vieh anderthalb Stunden weit herfahren muß! Es ist was Schrecklich's um so eine Wassernot!

Zwiebelmaier. Geduld, Geduld! die Wissenschaft täuscht nicht und trügt niemals. – Ah, da kommt der Herr Wirt selbst.

Wirt (tritt aus dem Wirtshaus). Meinen Respekt, Gnaden Herr Professor.

Zwiebelmaier. Guten Morgen, Herr Gastgeber.

Wirt. Da haben wir halt noch die alte Bescherung! Alleweil graben, alleweil bohren – –

Zwiebelmaier. Nur kein Bedenken! Wir kommen baldigst auf ein Resultat, wir müssen! es kann nicht anders sein. Hören Sie: wenn wir noch eine Röhre ansetzen, die ich diesen Morgen vom Klempner erwarte – wird der Brunnen springen.

Wirt. Verzeihn S', Herr Professor; aber ich hab mir schon g'nug springen lassen, und wenn's Wasser nicht bald springt, – – –

Zwiebelmaier. Hören Sie nur: ich bin bereits an der Erdschichte angelangt, wo das chaotische Fluidum vulkanischer Konfusion sich mit dem Amalgam der Wasserregion verbunden zu haben scheint; der Mischungsbrei hat sich gezeigt, die Kapillarröhren haben sich geöffnet.

Wirt. Da versteh ich den blauen Teufel davon; ich möcht' einmal, daß ein End' herschaut.

Zwiebelmaier. Dieses Ende ist nahe. Der gute Hans leistet Unglaubliches bei der Sache, und seiner rastlosen Tätigkeit haben wir, was die medianische Wirkung anbelangt, das meiste zu danken, und an meinen Berechnungen kann es nicht fehlen.

Wirt. Ich weiß schon, wo das wieder hinaus will. Es bleibt dabei. Ist das Wasser da – so kriegt der Hansl meine Nanni; denn, wenn's so ist, wie Sie g'sagt haben, so ist mir der Brunnen mehr als viele tausend Gulden wert. Punktum!

Zwiebelmaier. Wie gesagt: ein solcher artesischer Brunnen versiegt nie und liefert in einer Sekunde mindestens 50 Eimer Wasser. Sie können damit nicht nur Ihre Bedürfnisse, sondern das ganze Dorf versehen und sich noch eine Mühle oder eine durch Wasser getriebene Dreschmaschine – kurz: Was Sie immer wollen, anlegen.

Wirt. Nur nicht gar zu viel versprochen, Herr Professor; vorderhand hab ich nur einen blauen Dunst, aber kein' Tropfen Wasser.

Hans. Aha! da kommt schon die Röhre zum Einsetzen.

(Kasperl und Knecht Hiesl tragen eine Röhre herein.)

Zwiebelmaier. Gut, sehr gut! Nun die Röhre hinabgesenkt; den Bohrer etwas gehoben! (Es geschieht nach Anordnung.)

(Kasperl krabbelt an dem Bohrer hinauf, setzt sich auf dessen Querstange.)

Kasperl. So, jetzt können wir wieder bohren. Mir geht's schon ganz feucht von unten herauf.

(Alle sind behilflich. Ungeheurer unterirdischer Donnerschlag. Kasperl versinkt mit dem Bohrer in die Tiefe, zugleich steigt ein mächtiger Springbrunnen aus der Erde. Allgemeines Geschrei und Jubel.)

Wirt. Juhe, juhe! da haben wir's!

Zwiebelmaier. Triumph der Wissenschaft!

Hans. Nanni, Nanni! komm 'raus! Unser Brunnen lauft.

Nanni (springt aus dem Wirtshaus heraus). Gott sei's gelobt!

Wirt. Ich halt mein Wort. Ich halt mein Wort. Ihr seid ein Paar!

Hans. Vivat! Vivat der Herr Professor!

Wirt. Zapft nur gleich ein Faß an! Das ganze Dorf ist zechfrei!

(Die Bühne füllt sich mit Dorfbewohnern, allgemeine Teilnahme und Freude.)

Nanni. Aber – wo ist denn der Kasperl?

Hansl. Auweh! der Kasperl ist versunken!

Chor.

 

Auweh! der Kasperl ist versunken; Vielleicht im Brunnen schon ertrunken! (Mehrere schauen in den Brunnen hinab.) Es ist nichts von ihm zu sehen, Welch großes Unglück ist geschehen! Auweh! der Kasperl ist versunken; Im Brunnen, ach! ist er ertrunken!


Verwandlung

Patagonien. (Südamerika. Stamm der Leuwutschen.)
Südliche üppige Gegend am Meere. Im Hintergrunde eine Felsenhöhle. Palmenvegetation etc. etc. Im Meere schwimmen große Fische. Affen, Papageien auf den Bäumen. Tiger, Schlangen beleben die Szene.

Professor Zwiebelmaier (tritt auf).
Hochgeehrtestes Publikum! Ich bin von Seite der Theaterdirektion ersucht worden, Ihnen einige Erläuterungen vorzutragen, damit etwa nicht ein Mißverständnis eintrete, nämlich, wie folgt: Sie befinden sich jetzt im tiefsten Südamerika in der Provinz Patagonien bei den Leuwutschen, welche einen der wildesten Stämme dieser Gegenden bilden. Wenn Sie den Erdglobus betrachten, so werden Sie entdecken, daß in diametralem Durchschnitte vom Dorfe, in welchem sich das Wirtshaus »Zum roten Rößl« befindet, dieser Ort in Patagonien oder vielmehr im Lande der Leuwutschen, der gerade entgegengesetzte Punkt ist, in dessen Richtung ich den artesischen Brunnen graben ließ. Indem nun das Wasser hervorsprang, stürzte eine Erdschichte ein, es kam zum kompletten Durchbruche bis in die Weltgegend der Antipoden, welche im vorliegenden Falle die genannten Leuwutschen sind. Ohne Zweifel wird also der arme Kasperl durch diese Erdvertiefung gefallen sein und sich zu seinem größten Unglücke bald in dieser Gegend und bei deren wilden Bewohnern einfinden, deren Gebräuche und Sitten jedoch mit denen der Urbajoaren sehr viel Ähnlichkeit haben sollen, weil bei der großen Völkerwanderung, obgleich Amerika noch nicht entdeckt war, sich ein kleiner Stamm derselben hier angesiedelt hat, wie man glaubt. So viel zur Aufklärung des hohen Publikums. Meinerseits werde ich mich aber sogleich wieder hinter die Kulissen begeben, denn ich möchte mich als ein gelehrter Professor keineswegs dem etwaigen ungeeigneten Benehmen der ungebildeten Leuwutschen aussetzen. (Unter Komplimenten ab.)

(Kasperl kriecht aus der Felsenhöhle, schüttelt sich ab.)

Kasperl. Schlipperdibix! das war aber eine Rutscherei! Ich kenn mich noch gar nicht aus. Das weiß ich noch, wie ich in den kartesischen Brunnen gestiegen bin, nachher bin ich in das tiefe Loch gerutscht, und bin dabei a bißl naß word'n, aber nachher weiß ich nichts mehr von mir: bin ich in die Ohnmacht oder in ein Prezupiß g'fallen – ich weiß kein Sterbenswörtl. (Schaut umher, höchst verwundert.) Oho, oho? – ja was ist denn das für ein Stadtviertel? Verflixte G'schicht! Da muß ich bedeutend ums Eck gekommen sein. Das sind ja Bäume wie die Kehrbesen mit grüne Büschel! Und das Wasser dahinten, da sieht man gar kein End! Schlipperment und diese Vieher!

(Einige Affen springen über ihn hinüber.)

Halt! halt! Die Gassenbub'n hier sind auch kurios, die hab'n Schweiferln wie die Katzen. Ah, ah, ah! das ist aber schön! – – Herrgottl, jetzt fallt mir was ein! Etwas Erschreckliches! – ein Riesengedanke – – ein Weltereignis! Hat mir denn nicht der Professor Zwiebelmaier öfters g'sagt: »Diese kartesischen Brunnen gehen sogar manchmal so tief durch die Erde, daß die Bohrerschraubenspitze unten auf der Rückseiten der Erdkugel herausschaut im Lande der Antipopoden!« Ha! – Und diese Antipopoden sind die Leut, die auf der andern Seiten von der Erdkugel logieren! – O Himmel! wäre es möglich? wäre es möglich, daß ich, Unglückseliger, vielleicht in dem kartesischen Loch da durch die ganze Erdkugel gerutscht wär' und mich jetzt wirklich bei den Antipo-po-po-poden befände? Furchtbarer Gedanke. Weh mir! ich bin verloren! – – Ich fall in Ohnmacht. (Fällt bewußtlos um.)

(Prinzessin Milipi lauft herein, einen ungeheuer großen Schmetterling zu fangen, der vor ihr herfliegt und sich auf Kasperls Nase setzt.)

Milipi. Wart nur, Bestie, ich krieg dich schon! – Ah, da hockt er. (Eilt hin, erschrickt ungeheuer.) Ihr höheren Wesen! Was ist das? Ein fremdes Tier! Sklaven! Herbei! Helft mir! Ich werde gefressen.

Kasperl (erwachend. Der Schmetterling fliegt fort). Holdes Wösen, erschrecken Sie nicht! Fürchten Sie mich nur nicht. Sie sind ja ein gar ein nettes Wutscherl!

Milipi (für sich). Das Tierchen ist gar nicht so übel. Es kann ja auch sprechen.

Kasperl (sehr zärtlich). Oh, oh! Sagen Sie mir, warum sind Sie denn so braun im G'sichtl. Sie sehn ja aus wie ein Kupferpfannl, in dem man die Schmalznudl backt?

Milipi. Fremdling, ich verstehe dich nicht ganz; aber du gefällst mir; denn du scheinst ein gutes Wesen zu sein und kein böses.

Kasperl. O noin, ich bin kein böses, sondern ein sehr gutes, gutes, aber hungriges und durstiges Wösen.

Milipi. Ich will dir eine Kokusnuß geben, daraus kannst du die Milch schlürfen.

Kasperl. Was? war nit übel! Ein Hokuspokusmuß? Das hab ich meiner Lebtag nit gessen. Da dank ich.

Milipi. Oder willst du eine verzuckerte Eidechse? Ich habe davon vom Dessert mitgenommen.

Kasperl. Was? – A verzauberte Heidaxen!! Aber, das ist doch a bißl zu stark, was Ihr für eine Kost haben müßt in dem Land? Aber – apropos, mein Fräulein – denn das sind Sie doch?

Milipi. O ja; ich bin die Tochter des Häuptlings dieses Stammes. Und heiße Milipi.

Kasperl. Was? Tochter? Häuptling? – Stamm? Mili-li-li-pi-pi-pi? Das ist ja alles chinesisch! – Nun, apropos! Eigentlich möcht' ich doch wissen, wo ich heruntergefallenes Individuum mich auf der Welt jetzt befinde.

Milipi. Ja, weißt du denn das nicht? – Du bist im Lande der Leuwutschen.

Kasperl. Leu-leu-wu--tschen?

Milipi. Ja, im Patagonierreiche.

Kasperl. Im Spatagonier--reiche? – Na – jetzt weiß ich soviel wie zuvor. Du also, liebes Mauserl, bist eine Leuleuwutscherin? O du Wutscherl du!

Milipi. Willst du, so werde ich dich zu meinem Vater führen, der wird dich gerne beherbergen.

Kasperl. Ja, mir ist's schon recht, aber vielleicht krieg ich eine rechte Tracht Prügel und werde so, was man sagt, ein bißl »verleuwutscht«.

Milipi. O fürchte dich nicht; aber, sieh, da kömmt mein Vater selbst.

Kasperl. Auweh! – jetzt könnt's mein' Kopf kosten.

(Schluwi mit Halamilari und Gefolge tritt ein.)

Schluwi. Himmelpotztausendsapperament! Was seh ich da? Wer untersteht sich? Wer ist das? Wie verhält sich das? Meine Tochter und ein Fremdling? Ha! Mordselement! Gleich fünfundzwanzig mit dem Bambus!! Alloh!

Milipi (wirft sich Schluwi zu Füßen). Ach, lieber Vater! Verzeih! Ich habe diesen armen Fremdling bewußtlos und erschöpft hier gefunden. Er scheint ein verirrter Wanderer zu sein.

Schluwi. Ich will nichts mit solchen verwirrten Vagabunden zu tun haben. Donnerwetter! Was ist das wieder für eine Sicherheitspolizei? Gleich fünfundzwanzig dem Polizei-Kommissär, der die Jour heut hat! Halamilari!

Halamilari. Herr, was befiehlst du?

Schluwi (beiseite zu ihm). Glaubst du nicht, daß dieser Unbekannte etwa ein böser Geist sein könnte, der unter dieser Verhüllung mir schaden will?

Halamilari. Sehr ja! – Vorsicht! Vorsicht!

Schluwi. Also sichte vor. (Laut.) Tochter, du begibst dich augenblicklich nach Hause. Ich folge dir. Halamilari, du bleibst und bringst den Fremdling gefesselt nach. Eh' wir ihn aufnehmen, muß er jedenfalls auf das genaueste geprüft werden. Zu diesem Zwecke führe ihn in den kleinen Tempel, in welchem mein Hausaltar steht.

(Ab mit Milipi.)

Halamilari. Sklaven, ergreift ihn!

(Zwei Wilde packen Kasperl.)

Kasperl. Oho, nur nicht so grob.

Wilde. Strudi, prudi, prudi bibibi!

Kasperl. Was? fangt ihr auch mit einer solchen Sprach' an? Geht's weiter mit den Dummheiten.

Wilde. Pardipixtipixtiwixti.

Kasperl. Ja, ja, 's ist schon recht. Nur Geduld!

Ein Wilder. Pumpsdi! (Haut den Kasperl.)

Kasperl. Au!

Ein anderer Wilder. Pumpsdi, pumpsdi! (Haut ihn ebenfalls.)

Kasperl. Sapperment, das leid ich nit! (Zu Halamilari.) Sie, Herr General oder Herr Hoffourier, was Sie halt sind.- Ich bitt mir die gehörige Achtung aus. Verstehen Sie mich? (Rumpelt an den Halamilari, der sehr erschrickt und furchtsam ist.)

Halamilari. Ich muß mich etwas in acht nehmen. Wenn er ein böser Geist, könnte er mir schaden. (Zu den Wilden.) Cacolimacolimilimila.

Die Wilden. Oi-, oi-, oi-mu!

Kasperl. So – laß ich mir's gefallen; nur höflich! aber zuvor wünschte ich genährt zu werden.

Halamilari. Man wird dir Speis und Trank geben. Fort! Marsch. Eins, zwei, eins, zwei!

(Alle ab.)


Verwandlung

Das Innere eines Tempels. In der Mitte auf drei bis vier Stufen steht ein steinerner Maßkrug mit zinnernem Deckel. (Notabene wirkliches Exemplar in Naturgröße.) Anfangs der Szene ist der Krug noch von einem Vorhange verdeckt, der sich leicht aufziehen läßt.
Nacht. Der Raum ist von einer Hänglampe oder von ein paar zu beiden Seiten stehenden Kandelabern spärlich erleuchtet.

Halamilari tritt mit Kasperl ein.

Halamilari. So führe ich dich denn in das Heiligtum ein, junger, hoffnungsvoller Fremdling. Du hast hier die Prüfung zu bestehen.

Kasperl. Was – Prüfung? – Jetzt gibt's ja keine Schulpreis' mehr; da will ich auch nix von einer Prüfung wissen.

Halamilari. Es ist die Prüfung, ob du würdig seist, in dem Lande des großen Schluwi zu weilen.

Kasperl. Mich zu langweilen; denn bisher hab ich nur Ängsten, aber keine Unterhaltung g'habt.

Halamilari. Hier ist unser Heiligtum, unsere Gottheit, welche vor undenklicher Zeit als ein heiliges, wunderbares Meteor vom Himmel an diesem Platze niedergefallen ist und über welches dieser Tempel gebaut wurde.

Kasperl. Hinter diesem Vorhangl da?

Halamilari. Ja. Ich habe den Befehl, dich nun allein zu lassen. Bist du ein Auserwählter, so wird es sich zeigen; wo nicht, so werden dich die bösen Dämonen zerreißen.

Kasperl. Oho, was nit gar? Zerreißen? – Aber ich verlang mir ja nicht ein Auserwählter zu sein; am liebsten wär' mir's, wenn Sie mir den Weg nach Hause zeigen ließen.

Halamilari. Es ist zu spät. Du hast zu uns hergefunden, mußt also geprüft werden.

Kasperl. Lassen Sie mich nur mit der Prüfung aus, Sie Allerliebster.

(Donnerschlag. Zugleich löschen die Lichter aus.)

Kasperl. Pumps dich! Da hab'n wir's!

Halamilari. Es ist das Zeichen der Gottheit.

Kasperl. Das ist eine kuriose Gottheit, wenn die immer einen solchen Pumpser macht.

Halamilari. Lebe wohl! Sei weise und gefaßt! (Ab.)

Kasperl (allein). »Sei weise und gefaßt!« – was heißt jetzt das wieder? Leben Sie wohl, angenehmes Mannsbild! – Was fang ich jetzt an? Ich glaub: ich leg mich nieder und schlaf a bißl.

Tiefe Stimme (hinter dem Vorhang). Kasperl! Kasperl!

Kasperl. Wer ruft mich?

Stimme. Ich bin es.

Kasperl. Wer bist du denn, der du dich »Ich« nennst?

Stimme. Ich bin ich und du bist du; aber in meiner Tiefe ruhet auch dein Geist; dies ist das Geheimnis des Lebens.

Kasperl. Schlapperment! dahinten scheint's nicht ganz richtig herzugehen im Kapitolium.

Stimme. Ziehe den Vorhang zurück und du wirst mich erkennen.

Kasperl. Ich werde den Vorhang zurückziehen und –

(Indem er es tut, zeigt sich der Krug von magischem Schimmer erleuchtet.)

Kasperl (ungeheuer erstaunt). Ja-ja-ja – was erblick ich? Du bist also dieses »Ich« und ich bin dieses »Du«. Himmlische Erscheinung! Wonnevolles Zeichen der Heimat! Ha! (Fällt auf den Bauch.)

Kasperl (aufspringend). Oh, sei gegrüßt! sei willkommen! (Springt an dem Krug auf und ab, dann hinauf, öffnet den Deckel und schaut in den Krug.)

Von innen. Prrrrrrr!

(Ein Leuwutschenteufel, der aus dem Krug schaut, nimmt Kasperl beim Schopf.)

Kasperl. Auweh! Auweh! – Ist der auch wieder da?

Teufel. Wart Spitzbub! Was tust du da herunten?

Kasperl (wieder unten). Und was tust du da oben?

Teufel. Prrrrrrrrr!

Kasperl. Ja, »Prrrrrr!« (Springt zu ihm hinauf. Balgerei. Kasperl reißt den Teufel herab, springt auf ihn etc., bis der Teufel tot daliegt. Ungeheurer Donnerschlag. Speifeuer aus dem Krug. Es wird hell. Zugleich treten Schluwi, Halamilari und Milipi ein.)

Schluwi. Du hast gesiegt, Jüngling! Du hast den bösen Dämon bezwungen.

Halamilari. Dich haben die Götter zu uns gesandt.

Milipi. Heil dir, nimm diesen Kranz von Palmblättern.

Kasperl. Ich bedank mich gar schön, aber jetzt bin ich so g'scheit wie zuvor!

Mehrere Eingeborne (treten ein). Heil! Heil! Heil!

Schluwi. Laßt uns unsern Hymnus singen und um den heiligen Stein den Reigen tanzen.

(Alles tanzt um den Krug herum, dessen Deckel fortwährend auf- und zuklappt.)
Allgemeiner Chor nach der Melodie:

 

Rallala, rallala, rallala, rallala, Kellnerin schenk uns ein Weil wir beisammen sein, Rallala, rallala, rallala, la. Rallala, rallala, rallala, rallala, Huraxdax, schnaderigax, Tanz' mit der krummen Hax, Rallala, rallala, rallala, la. Rallala, rallala, rallala, rallala, Und heut is' grad so recht, Denn das Bier ist nit schlecht, Rallala, rallala, rallala, la! Juh! Juh! Juh!

Schluwi. Und nun, edler junger Mann; weil ich für meine Tochter noch keinen Mann gefunden, so habe ich dich zu ihrem Gatten bestimmt.

Kasperl. Ah! Ah! – aber färbt's nit ab, die Tochter?

Halamilari. Nein, sie ist ganz naturschokoladibraun!

Kasperl. Nacher laß ich mir's g'fallen.

Schluwi. Kommt Kinder! Kommt alle! Nun soll gleich das Hochzeitsfest gefeiert werden. Man spiele einen Marsch auf; schreit alle: Vivat!

(Alle schreien und ziehen feierlich um den Krug herum unter den Klängen eines Marsches ab, während der Vorhang fällt.)

Ende des zweiten Aufzugs

Dritter Aufzug

Gegend am Meere in Patagonien, wie im zweiten Aufzuge.

Kasperl, Milipi, ein junges Krokodil an der Schnur führend, treten ein.

Milipi. Nun sind wir verheiratet, lieber Fremdling! Ach, ich hin so glücklich, deine Gattin zu sein!

Kasperl (spricht immer sehr hochdeutsch). O ja! Und ich, moine Liebe, bin so glücklich, dein Gatter zu soin!

Milipi. Nicht wahr? Ich darf dich meinen »Kolibri« nennen? Das sind die lieben kleinen bunten Vögelchen, die netten Tierchen. Und du hast ja auch so ein rotes Röckchen an.

Kasperl. Du bist moine Milipi und ich bin dein Kolipripi!

Milipi. Wie gefällt dir mein kleines Schoßtierchen, das junge Krokodilchen?

Kasperl. Gar nicht übel, aber es hat mich schon ein paarmal in den Finger gezwickt.

Milipi. Das ist nur Scherz.

Kasperl. Wenn es aber ein bißchen größer wird, könnte das Tierl einem leicht den Kopf abboißen, aus lauter Scherz.

Milipi. Das tut nichts; das geschieht bei uns manchmal, lieber Kolibri.

Kasperl. Da dank ich gehorsamst.

Milipi. Apropos, lieber Mann: denke dir, mein guter Vater will uns heute ein recht großes Vergnügen machen. Er hat mir erlaubt, mit dir eine kleine Spazierfahrt in seinem Leibhofluftballon zu machen, das wird allerliebst.

Kasperl. Schlipperdibix, da freu ich mich aber drauf! Sind denn bei euch auch die Luftbullon bekannt?

Milipi. O ja; schon seit ein paar hundert Jahren. Sie sind aus Elephantenhäuten gemacht und werden mit brennendem Branntwein gefüllt; dann steigen sie in die Luft; aber man hält sie an einer langen Schnur, damit sie nicht davonfliegen können.

Kasperl. Das muß eine scharmante Unterhaltung sein, die Luftfliegerei, wenn ei'm dabei nit übul wird.

Milipi. O nein, o nein! – Sieh, da bringen sie den Luftballon schon. Papa kommt auch mit.

(Schluwi, Halamilari, der einen schwebenden großen Luftballon an der Schnur hält.)

Schluwi. Milipi! sieh, weil ich dir's versprochen hab, kannst du jetzt mit deinem Mann da hineinsitzen und ein halb Stündl spazierenfliegen. Halamilari hält das Seil, da brauchst keine Angst zu haben.

Milipi. O lieber Papa! Und nicht wahr, mein Krokodilchen darf auch mitfahren.

Schluwi. Soviel du willst. Steigt nur ein.

(Milipi und Kasperl steigen in das Schiffchen, das Krokodil hängt an der Schnur herab.)

Schluwi. So alloh, alloh!

(Der Ballon steigt in die Höhe.)

Halamilari. Tausend, tausend! Das Halten wird mir zu schwer! –

Kasperl. Nur nit auslassen!

Halamilari. Ich kann nicht mehr, ich kann nicht mehr!

Schluwi. Laßt das Krokodil fallen!

(Krokodil fällt herab.)

Halamilari. Hülfe! Hülfe! ich kann nicht mehr!

Kasperl. Halten S'! Mir wird nicht ganz gut.

Milipi. Mir wird übel! Ich falle in Ohnmacht!

Halamilari. Ich falle! Ich kann nicht mehr!

Schluwi. Herbei! helft! haltet!

(Halamilari läßt den Strick fahren und fällt hin, der Ballon verschwindet in der Höhe, Milipi fällt unter einem Schrei herab.)

Schluwi. Weh! weh! meine Tochter! meine Milipi!

Halamilari. Auweh! Ich hab mir das Rückgrat gebrochen.

Schluwi. Hülfe! Hülfe!

(Unter allgemeinem Wehgeschrei fällt das Orchester ein.)


Rasche Verwandlung

Wirtshaus von außen, wie anfangs des zweiten Aufzuges. Der artesische Brunnen steht vollendet da. Eine Art Säule, an welcher aus mehreren Röhren Wasser sprudelt. Nacht und Mondschein.

Kasperl fällt aus der Luft herab und plumpst auf den Boden.

Kasperl. Donnerwetter! Das hab ich g'spürt! – (Steht langsam auf.) Auweh, auweh – tut mir das Kreuz weh! No! und die Luftfahrt! Da dank ich! Aber da oben hat er auf einmal auslassen; da muß ihm der Atem ausgangen sein! Kreuztibidomine! Ich muß um die ganze Erdkugel 'rumgeflogen sein. An a paar Stern bin ich gleich so ang'stoßen, daß ich mir die Spitzeln in die Rippen g'rennt hab. Das war a Metten! Ein Komet hat mir mit seinem Schweif einen mordalischen Wischer übers G'sicht gemacht, daß mir die Funken aus die Augen g'spritzt sind! Wie ich aber am Mond vorbeig'segelt bin, hab ich nix mehr g'sehen und jetzt lieg ich da; aber wo lieg ich! wo? –––

Bin ich vielleicht wieder in so ein Wuwutschenland verdammt, wo ich eine schwarze Prinzessin heiraten muß? Halt! ich hör was! da will ich mich gleich ein bißl verstecken, eh' ich bumerkt werde.

Der Nachtwächter Peter (mit Spieß und Laterne tritt ein, singt):

Ihr Herrn und Frauen laßt euch sagen: Die Stund' hat drei Uhr früh geschlagen; Es ist bald Zeit, daß ihr aufsteht, Aufsteht und an die Arbeit geht! Ihr Herrn und Frauen laßt euch sagen: Die Stund' hat drei Uhr früh geschlagen; Jetzt legt der Mond sich in sein Bett, Ums Leben ist's a miserabl's G'frett! Ihr Herrn und Frauen laßt euch sagen: Die Stund' hat drei Uhr früh geschlagen; Die Sonne wirft ihre Ducket weg Und kommt gleich 'rauf dort übers Eck! (Marschiert ab.)

(Mond verschwindet, allmählich tritt Morgendämmerung ein. Kasperl tritt aus seinem Versteck.)

Kasperl. Potztausendelement! Das war ja der Peter, unser Nachtwachter! Ja! wie kommt denn der daher? oder wie komm ich daher? (Sieht sich rings um.) Herrschaft! Wunder! Mirakel, Spektakel! das ist ja 's Rößlwirtshaus! Juhe! jetzt bin ich wieder daheim! – doch ruhig! keine Übereilung! Fassung! Besonnenheit! Überlegung! Manneswürde! Empfindung! Selbstgefühl! Sittlicher Ernst! – – Wie mach ich's jetzt am g'scheitisten, daß meine unerwartete Rückkehr ein Weltereignis wird? – – Jetzt fallt mir was ein: zuvor werd ich als mein Geist erscheinen, nachher erst als leibhaftiger Kasperl. Ich will doch hören, was die Leut' von mir sagen. (Er steigt auf die Brunnensäule, so daß er sich oben wie eine Statue ausnimmt.)

So! jetzt still und aufgepaßt! Am allerfrühsten Morgen werd'n die Leut' schon kommen und Wasser holen.

(Man hört die Morgengebetglocke im Dorfe läuten. Nun kommen allmählich Knechte, Dirnen an den Brunnen, Wasser zu holen, die aber Kasperl nicht bemerken. Hiesl aus dem Wirtshause. Später Nanni.)

Hiesl (wäscht sich am Brunnen). Das ist halt was wert, so a guat's, frisch Wasser! Das wascht ei'm den Schlaf noch recht aus die Augen. Aber kost't hat er 'n Wirt was – der Brunnen. Rentiert sich aber. Jetzt hab'n wir überflüssig fürs Vieh, für die Roß, und die groß Stadlwiesen können wir auch noch wässern, und den ganzen Garten und 's Krautgartenwiesl; dürfen nur die Rinnen einlegen. Herrschaft! Das ist freilich eppes Guat's und grad nur die halbi Arbeit. (Nanni mit einem Krug tritt aus dem Hause.) Gut'n Morgen, Wirtin!

Nanni. Gut'n Morgen, Hiesl! Tust's Vieh bald tränken. Gelt, der Brunnen ist halt a Wohltat? Hast'n Schöpfer gleich im Stall!

Hiesl. No – das sag i! Der kaltesische Brunnen ist was wert. Aber kost't hat er a was!

Nanni. Ja freilich, 2000 Gulden langen net. Und das kann ich halt gar nicht vergessen, daß dabei ein Menschenleben auch z'grund gangen ist.

Hiesl. A mein, der Kasperl; Gott tröst'n; aber a Lump war er doch!

(Kasperl räuspert sich.)

Nanni. Ja, a gute Haut; aber a fauler Kerl; und 's Bier war ihm eigentlich sein Arbeit. (Kasperl hustet.) Hast'n Katarrh, Hiesl, weil's d' alleweil husten mußt?

Hiesl. Beileib nit; aber ich hör auch alleweil so räuspern,

Nanni. Ja, Hiesl, mir wär's doch recht, wenn der Kasperl noch bei uns wär! Er war gar so a lustiger Bursch mit seine Dummheiten.

Hiesl. Das schon; aber ich glaub, es hat'n doch der Teufel g'holt, weil er gar so a fauler Kerl war.

(Kasperl hustet ungeheuer.)

Nanni. Ja, was ist denn das? Wer ist denn da? (Bemerkt Kasperl oben auf dem Brunnen.) Herrgott im Himmel! Da steht er oben! Das ist sein G'spenst! Auweh! (Läßt den Krug fallen und läuft schreiend ins Haus.)

Hiesl. Richtig! der leibhaftig' Kasperl! Alle guten Geister – – (Läuft ebenfalls hinein.)

Kasperl. Brav! jetzt hab ich mein Sach! wenigstens hab ich beobachten können, daß ich im guten Andenken steh. Wie werden sie mich erst empfangen, wenn ich in Wirklichkeit erscheine? Holla! kommt schon wieder wer.

(Wirt mit Nanni aus dem Hause kommend.)

Wirt (an der Türe). Was nit gar? Das sind Dummheiten! Macht's mir nichts weis. Ich glaub an keine Geister.

Nanni. Ja g'wiß, aufm Brunnen steht er oben, wie er g'leibt und g'lebt hat. Schaut's nur hin, Vater.

Wirt. 's ist schon recht. (Schaut hin.) Meiner Seel! – das ist kein G'spaß; da steht er!

Nanni. Gelt's? ich hab recht g'habt.

Wirt (zitternd). Holt's 'n Pfarrer, der kann mit die Geister umgehn. Hiesl, Hiesl!

(Hiesl kömmt.)

Hiesl. I trau mir net!

Wirt. Zum Herr Pfarrer lauf, Hiesl! Er möcht' mit 'n Weihbrunnen kommen, aber gleich! wo ist denn der Hans? Hans!

(Hiesl läuft fort, Hans kömmt aus dem Hause.)

Hans. Was gibt's denn, Vater! –

Wirt. Da schau hin.

Hans (schaudernd). Der Kasperl!

Kasperl (mit geisterhafter Stimme). Ja, der Kasperl! der arme Kasperl! Als Geist erscheint er euch. Gelt's: der Lump, der Faulenzer! der in das Brunnenloch gefallen ist, tief in die Erden hinunter, der so elend zugrund gegangen ist? Wehe! Wehe! Wehe! (Alle fahren durcheinander, werfen sich endlich auf die Knie.) Ja! zittert und bebt nur! Wenn die Leut' g'storben sind, nachher soll man nur Gut's von ihnen reden. So steht's im Christenlehrbüchl!

Alle. O mein, o mein!

Wirt. Wenn's d' nur wieder lebendig wärst, lieber, guter Kasperl!

Nanni. Gelt, ich bitt dich, du tust uns nichts?

Wirt. Ich versprich dir's. Ich laß dir ein' schönen Grabstein setzen von Marmor und a goldene Schrift drauf; guter Kasperl!

Kasperl (springt herab). Nix Grabstein! Juhe! Ich bin ja lebendig; da schaut's her, da ist der alte Kasperl.

Alle. Ja, wie ist denn das möglich!

Wirt. Bist du also kein Geist?

Kasperl. Nix Geist! – Fleisch und Blut! Gebt's mir nur gleich was z' essen und z' trinken!

Wirt. So viel's d' nur magst! weil's d' nur wieder da bist.

Kasperl. Ja, gelt's? aber so geht man mit den Abg'storbenen um?!

Nanni. Verzeih's nur, Kasperl; es war nit so bös g'meint. Du weißt's ja.

Wirt. Wir haben dich alleweil recht gern g'habt, allesamt im Haus.

Hans. Ja freilich! und jetzt haben wir dich noch gerner.

Kasperl (hocherhaben und stolz). Ja, ich woiß es: der Kasperl wird überall gern gehabt. Wo er immer sich blücken läßt, ist er buliebt, ja angubetet. Ich verzoihe euch!

Nanni. Aber sag nur: wie ist's denn möglich, daß du nit z'grund gangen bist.

Kasperl. Zugrund gangen bin ich nicht, sondern zugrund g'fahren. Das Schicksul hat mich gurettet; denn der Kasperl kann und darf nicht zugrund gehen. Aber jetzt gehn wir in die Wirtsstuben, ich fall vor Hunger und Durst um.

Wirt. Ja, gehen wir hinein! da kannst uns erzählen, wie's dir gegangen hat.

Nanni. Ja, gelt, Kasperl, du erzählst uns, wo'st du überall warst?

Kasperl (hoch). O wecket nicht die Erinnerungen einer glücklichen Vergangenheit!

Wirt. Alloh! Auf!

Alle. Der Kasperl soll leben! Vivat hoch!

(Das Orchester fällt ein.)

Ende des Dramas